Eine von Berlins wahrlich obskursten Kneipen.
Zwischen der Oranienburger und der Weidendammer Brücke schlummerte das,
was Philister die "Sünde" nannten. Um es deutlicher zu formulieren:
Hier war der Teufel los, um Sitte, Moral und Anstand kümmerte sich keiner.
Im Café Stern am Oranienburger Tor traten Damenkapellen auf, nahebei lagen
die Studentenkneipen "Lindenwirtin" und "Hackepeter"; in beiden ging manch
väterlicher Wechsel direkt in die Hände einer Zimmerwirtin, die den Begriff
Puffmutter nicht als Schande, sondern als Adelsprädikat ansah. Sowohl die
Gräfin Strachwitz in der Friedrichstraße 30
als auch die verwitwete Tamara Smigielska,
deren Gatte Kanzleirat gewesen, scharten Maiden um sich, die libidös auf der
Höhe ihrer Zeit waren. Zimmer wurden ringsum stundenweise vermietet, an der
Karlstraße/Ecke Friedrichstraße lebte das Geschäft "Sanitas" nahezu
ausschließlich vom Umsatz mit diskreten Gummiwaren. Da war der Stramme Hund dann schon eine Oase der Tugend. Hier kehrte ein, wer hungrig, durstig, wenig bemittelt und nicht allzu sensibel war. So trafen sich arme Schlucker und müde Nutten Stuhl an Stuhl an gescheuerten Holztischen und labten sich am Highlight der Karte, dem für vierzig Pfennig feilgehaltnen Stamm-Essen: "Lungenhaschee mit Setzei". Ein Mann wusste noch jahrzehnte später mit Glanz in den Augen vom Unvergleichlichen des Vorgesetzten zu schwärmen, ohne aber noch den Funken einer Erinnerung (behauptete er zumindest…) an die sündigen Tischgenossinnen zu besitzen. Er war Schwabe und Professor zugleich und damit zweifach prädestiniert, über das Preis-Leistungs-Verhältnis zu dozieren: Theodor Heuss (1884 bis 1963). Papa Heuss, als liberaler Fraktionsvorsitzender im Reichstag, aber auch als Bundespräsident, in der Rolle des Kronzeugen dafür, dass der Stramme Hund nicht etwa eine Kellerspelunke gewesen wäre, sondern eine reputierliche Institution. |