Wirte harren in einer förmlich explodierenden Stadt
wie Berlin alle Chancen, zu mehr als gesichertem Reichtum zu gelangen. Und
besonders kluge Gastwirte schickten ihre Söhne häufig sowohl beim
Bierbrauer als auch beim Winzer in die Lehre. Aus gutem Grund: Da im Sommer
ohnedies nicht gebraut werden konnte, machte die zweite Ausbildung Sinn.
Ein Beispiel dafür ist Johann Simon Habel,
geboren 1752 in Rothenburg ob der Tauber. Habel war Bierbrauer, arbeitete
sich in der preußischen Armee vom Kellerknecht zum Kellermeister empor
und eröffnete mit seinem Bruder Johann Georg
die Weinhandlung Unter den Linden 30, einer der trefflichsten Orte, die
erlesensten Kreszenzen jener Dezennien zu verkosten und zu erwerben. Dabei
waren die Auswahl und die Exklusivität der feilgehaltenen Tropfen so
bemerkenswert, dass Magnaten aus Warschau und Moskau auf ihre jährlichen
Visiten bei Gütern in Frankreich verzichteten und "nur" noch bis Berlin
fuhren. So konnte es geschehen, dass mancher Großfürst (samt Mätresse!) zwar monatelang in Berlin logierte, aber außer seinen Suiten im Hôtel de St. Petersbourg Unter den Linden 31 und dem unmittelbar daran angrenzenden Restaurant Habel mit der phänomenalen Wein-karte nichts von der Stadt sah. Habel verzichtete auf jede Form von Werbung oder gar "Reclame". Er hatte es nicht nötig, weil er die bestbeleumdeten Zeitgenossen umsorgen durfte. Es gab durchaus ein "Kastenwesen" in der Gastronomie: bei Kranzler die Leutnants, bei Bauer die Garde, im Victoria die Beamten, bei Dressel die Philister, bei Hiller die Emporkömmlinge, bei Lutter & Wegner die Versoffenen und bei Habel die Aristokratie. Die einzige Konkurrenz, die Habel mitunter spürte, kam von M. Deibel, der in der Leipziger Straße neben dem Kriegsministerium sein Domizil hatte. Er zählte Juristen und Generale zu seinen Stammgästen. Übrigens: Die Söhne von Deibel wurden später Bierbrauer. |