Friedrichstraße/Ecke Georgenstraße - 1850 Ein Zirkusunternehmer aus Frankreich führt in Preußen ein Novum des Entertainment ein. Damals nannte man so etwas freilich noch "Amüsemang" und die Berliner ließen sich leicht und locker verzaubern. Der Investor aus Paris baute die von der Bevölkerung nicht angenommene Großmarkthalle an der Friedrichstraße auf Höhe der Georgenstraße um und errichtete ein beinahe palastartiges Gebäude in dem Rohling aus Eisen und Glas. Das wurde zur Hülle für seinen Circus. Bis dahin hatte sich zirzensisches Geschehen unter den Stoffbahnen eines Zeltes, des Chapiteau, abgespielt. Und das war alles andere als kommod, wenn es draußen feucht und kalt wurde. Nun aber steht da ein Circus in einer Pracht, wie man sie noch nie erlebt hatte. Das Volk bestaunt eine Attraktion und ist bereit, dafür auch tief in die Tasche zu langen und sogar die letzten Groschen für eine Vorstellung auszugeben. Die Plätze aller Art sind auf Wochen ausgebucht. Monsieur Louis Déjan (1809 bis 1870) erweist sich als ein "Directeur", für den das Beste nur gerade gut genug ist. Die Diener weisen einen in Livree an die Plätze, so als sei der Zuschauer König samt Prinz. Die Inspektoren tragen kardinalrote Fräcke. Sogar die Mädchen, die Limonade und Kekse feilbieten, haben eine pfiffige und knapp geschnittene Uniform an. Von weither bringt die Bahn die Leute. Das Geld fließ nicht nur allein über die Billets, die gerade noch erschwinglich sind, sondern über den Konsum. Champagner gehört auf den besten Logenplätzen ebenso dazu wie Austern und Kaviarbrötchen. Déjan weiß, dass er als Franzose keinen leichten Stand haben wird. Er verhandelt mit dem Schulreiter Ernst Renz (1814 bis 1892) und verkauft ihm Monate nach der Premiere das Areal für 120.000 Taler. Déjan zog nach Petersburg und setzte dort sein Vermögen in den Sand. Renz wurde mit seinem Palast, den der Volksmund später Friedrichstadtpalast nannte, steinreich. |