Den vergeistigten Nachtschwärmern und Anhängern der
Jugendstil-Ideen bedeutete das "Schwarze Ferkel" soviel wie heute der Jeunesse
deren Top-Disco. Nur wird es im "Schwarzen Ferkel" in der Wilhelmstraße /Ecke
Unter den Linden (dort residiert jetzt die Botschaft von Ungarn)
abwechslungsreicher und alkoholbeschwingter zugegangen sein als in den
Sound-Hochburgen der Pop-Ära. August Strindberg
hatte die Kneipe 1892 zufällig entdeckt und machte sie zu seinem Wohnzimmer.
Es war ursprünglich eine Weinstube, die einem Armenier namens
Arman Pauquet gehörte. Doch dann zog die Bohème
hinter dem Expressionisten Strindberg her. Und die war durstig und nimmermüde.
Das Schwarze Ferkel beherbergte und behütete den Dichter
Richard Dehmel, die Maler Edvard Munch
und Lesser Ury, den Zeichner und Karikaturisten
Fritz Koch-Gotha, den Modearzt Carl Ludwig Schleich. Und den melancholischen Reklame-Texter der Firma Maggi, der mit sinnigen Sprüchen auf Suppenwürfel mit Instant-Brühe aufmerksam zu machen hatte. Der Mann hieß Frank Wedekind und faselte davon eines Tages ein berühmten Dramatiker werden zu wollen. Noch hatte seine Dramen wie "Frühlings Erwachen" oder "Die Büchse der Pandora" die Kritik nicht aufgescheucht. "Ferkel"-Budiker Pauquet erkannte messerscharf, dass mit Wein allein der Frohsinn mühsamer aus den Startlöchern kommt als mit härteren Sachen. So wurde das Lokal wegen seiner Auswahl an exotischen Bränden und Likören von Nacht zu Nacht populärer. Provinzler sahen sich im Vorhof der Sünde sitzen, wenn am Nebentisch Strindberg Gitarre spielte und zwei sehr leicht bekleidete Schauspielelevinnen ihn singend begleiteten. Deren einzige Garderobe bestand aus rotgebrühten Flusskrebsen, die sie ins Haar geflochten trugen. Zeitgleich schwängerte der verheiratete Wedekind Strindbergs bisexuelle Gattin Frida Uhl, die ihm einen Sohn gebar. |